Predigt zum Erntedankfest 28.9.
Wir verdanken uns nicht uns selbst, auch wenn wir manchmal sagen oder zu hören bekommen: Wofür soll ich danken, ich habe mir doch selbst das alles, Haus, Auto, Urlaub erarbeitet, erspart. Danken können wir doch auch für die Gesundheit, die Lebenskraft, den Zusammenhalt in der Familie, in der Firma; dass wir von Naturkatastrophen gewahrt geblieben sind und in gesicherten Verhältnissen leben können, noch immer ohne größere Folgen der Klimaveränderung. Weiters: Vieles in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft geht nur Hand in Hand; alle hängen zusammen, und voneinander ab. Die jüngsten Lohnverhandlungen unter dem Inflation zeigen die Vernunft, dass wir unsere Ansprüche nicht ins Uferlose steigern können. Und trotzdem geht uns den eisten nichts Wesentliches ab.
Das erste ist also das Sehen. Der Reiche im Evangelium übersieht das. Dass er genießt, ist nichts Schlechtes, aber er sieht den anderen nicht mehr vor seiner Tür, seine Bedürfnisse und Rechte. Den tiefen Graben, der am Ende unüberwindlich den Armen und den Reichen trennt, den hat er selbst gemacht dadurch, dass er sich abgegrenzt hat, getan, als ob es die andere Seite nicht gäbe. Er blendet Armut und Not aus.
Wenn wir Erntedank feiern, ist es also kein idyllisches Fest, an dem wir nur die eine Seite sehen, dass es uns gut geht. Dass wir uns reich beschenkt erfahren, hat etwas zu tun mit unserer Herzensbildung, mit einer tiefen Einsicht von klein auf, dass wir Abhängig sind und angewiesen, dass es schön und wichtig ist danke zu sagen und bitte. Das bildet in uns die Fähigkeit aus, es miteinander auszuhalten, dass es nicht geht ohne zu teilen, Anteil zu nehmen am Los des Nächsten und an meinen Gütern, des Herzens und der Hände. (Das Herz ist es, das gibt, die Hände geben nur her). Und der Dank an Menschen und letztlich an Gott ruft dann wie von selbst in uns die Frage auf: Wie habe ich das verdient? Das wesentliche können wir uns nicht verdienen. Dass ich gerade auf dieser Hälfte der Erde lebe, in diesem Land, zu dieser Zeit, in dieser wohlbehüteten Familie, unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen, wo ich meine Meinung sagen kann und nicht derentwegen verfolgt werde (wie jetzt auch schon in den USA). Wo Demokratie und Freiheit noch allzu selbstverständlich sind. All diese Einsichten helfen, den Blick auf die anderen zu heften. Jeder der sich in Politik und Wirtschaft sich für den Schwächeren einsetzt, trägt bei, dass die Gräben zwischen Arm und Reich schon im Hier und jetzt zu überwinden sind, damit sie nicht endgültig über den Tod hinaus wirksam werden können. Der schlimme Ausgang der Geschichte ist für den Reichen die Erfahrung des Getrennt seins von den anderen. Und das Gespür, dass das Leben nur im Miteinander gelingt und glücklich wird.
Das Erntedankfest und jeder Gottesdienst am Sonntag – Eucharistie- Dankfeier) möchte in uns diese Haltung und Einsicht fördern. Es tut uns gut zu denken, zu danken und zu teilen. Wir kommen nicht zu kurz. Wir werden aufs Neue beschenkt. Amen.